Im
Fach Projektstudium & Projektwerkstatt im Wintersemester 2003/04
arbeiteten 13 Studenten aus unterschiedlichen Fachbereichen an der
Evaluierung und Verbesserung eines digitalen Videorekorders unter
dem Betriebssystem Linux. Über die technischen und gestalterischen
Aspekte hinaus sammelten sie Erfahrung im Umgang mit dynamischen
Projekten und lernten, trotz ihres unterschiedlichen Hintergrundwissens
miteinander zu diskutieren und Lösungen zu finden.
Das
Umfeld:
Personal
Videorecorder (PVR) sind im Kommen. Diese Geräte zeichnen Fernsehsendungen
digital auf - meist auf einer Festplatte - und bieten dem Benutzer
dann neben dem aktuellen Fernsehprogramm den Zugriff auf sein persönliches
Archiv mit Filmen, Serien und Dokumentationen. Durch neue Techniken,
wie elektronische Programmzeitschriften (EPG) vereinfacht sich die
Programmierung der Geräte erheblich. Zudem wird mit einem PVR
das automatische Aufzeichnen von Serien, das zeitversetzte Fernsehen,
das schnelle Überspringen von unerwünschten Sendeinhalten
und das Einfrieren einer laufenden Sendung möglich gemacht.
Kurzum: Die Fähigkeiten des digitalen, "persönlichen"
Videorecorders gestatten einen neuen Umgang mit dem Medium Fernsehen,
durch den der Benutzer sein Fernsehprogramm besser auf seine Wünsche
zuschneiden kann.
PVR-Geräte
sind seit einiger Zeit im Handel erhältlich. Nur wenige Geräte
allerdings stellen alle oben genannten Features in einer benutzerfreundlichen
Weise zur Verfügung. An der Verbesserung von PVR-Konzepten
und -Geräten arbeiten u.a. die Firmen TARA Systems und Fast
TV-Server AG, die TARA in diesem Semester wieder bei der Durchführung
des Projektstudiums unterstützte. Neben den kommerziellen PVR-Lösungen
gibt es aber auch frei verfügbare Alternativen auf PC-Basis.
Dabei wird der bereits vorhandene Heim-PC mit einer Fernsehkarte
und entsprechender Software ausgestattet und kann dann die Arbeit
eines digitalen Videorekorders übernehmen. Über eine solche
alternative Lösung namens VDR berichtete das Computermagazin
c't in mehreren Artikeln. Die VDR-Software realisiert einen digitalen
Videorekorder auf Basis des Betriebssystems Linux. Die genannten
Berichte in c't waren der Ausgangspunkt des Projektes im Wintersemester
2003/04, dass sich der Untersuchung, Evaluierung und dem weiteren
Ausbau der VDR-Lösung widmete.
Die
Teilnehmer:
Beteiligt
haben sich an diesem Projektstudium/Projektwerkstatt 13 Studenten
aus den Fachbereichen Informatik, Kommunikationsdesign, Industriedesign,
Feinwerk- und Mikrotechnik sowie Tourismusmanagement. Dass Studenten
mit so unterschiedlichem Hintergrund an einem gemeinsamen Projekt
arbeiten mag im Hochschulstudium ungewohnt erscheinen; in der Wirtschaft
ist dies aber alltäglich. Entsprechend positiv bewerteten die
Teilnehmer im Rückblick die Erfahrungen, die sie durch die
Zusammenarbeit mit Kommilitonen aus anderen Fachrichtungen machen
konnten: Sie lernten in Projektbesprechungen und Diskussionen über
den jeweiligen Fachjargon hinaus ihre Erfahrungen und Ziele auch
anderen verständlich zu machen und dadurch das Projekt voranzubringen.
Einmal wöchentlich trafen sich die Teilnehmer des Projektstudiums
in den Räumen von TARA Systems.
Eine
andere Erfahrung, die für das spätere Berufsleben wichtig
sein kann, war die hohe Dynamik des Projektes. Das Projektziel wurde
am Anfang des Semesters von den Studenten durch Ideenfindung, Brainstorming
und Konzeptionsphase selbst ausgearbeitet. Im Laufe der Veranstaltung
wurden dann Korrekturen des Projektzieles notwendig - z.B. durch
nicht vorhersehbare Inkompatibilitäten - die die Kompromissfähigkeit
und das Improvisationstalent der Teilnehmer forderten. Im Einzelnen
teilten sich die Studenten in folgende vier Gruppen:
Team
Core:
Das technische Kernteam beschäftigte sich mit der Inbetriebnahme
der VDR-Software auf einem Linux-PC. Es untersuchte die Software,
um die Funktionalität, die VDR liefert, kennen zu lernen und
danach die Schnittstellen für die im Projektstudium zu entwickelnden
Erweiterungen zu definieren. Das Coreteam beschäftigte sich
auch mit der Umsetzung der Benutzeroberfläche, die GUI- und
Designteam entworfen hatten.
Team
GUI:
Die Benutzeroberfläche ist ein zentraler Aspekt jeder Anwendung,
denn sie entscheidet, ob der Benutzer die Funktionen der Anwendung
bedienen kann oder ob ihm die Funktionalität aufgrund unübersichtlicher
Menüs verborgen bleibt. Das GUI-Team untersuchte einige im
Markt erhältliche PVR-Geräte und definierte die Anforderungen
an eine benutzerfreundliche Oberfläche. Es bildete deshalb
auch die Schnittstelle zwischen dem Design-Team und dem technischen
Core-Team.
Eine Baumstruktur der grafischen Benutzeroberfläche (GUI).
Team
Design:
Die Vorschläge und Entwürfe für die Benutzeroberfläche
und die Menüstruktur der Anwendung entwickelte das Designteam.
Zusammen mit GUI-Team und Core-Team mussten dabei oft Kompromisse
zwischen künstlerischer Freiheit und technischen Rahmenbedingungen
gefunden werden. Außerdem zeichnet das Design-Team für
weitere kreative Arbeiten, wie Namensfindung und Logoentwicklung
verantwortlich.
Zwei GUI Entwürfe des Design-Teams.
Team
Projektmanagement:
Das Team Projektmanagement war für die Überwachung der
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Projektes, wie z.B. Kosten,
Zeitdauer und Personalaufwand, zuständig. Außerdem nahm
es organisatorische Aufgaben wie die Anfertigung der Projektdokumentationen,
die Führung der Projekttagebücher und die Zeiterfassung
wahr.
Auch das Präsentieren will gelernt sein: Ein Teil des Prototyps
wird vorgeführt.
Ergebnisse:
Am
Ende stand - wie meistens im Projektstudium - zwar kein marktreifes
Produkt, aber ein Prototyp, in dem die Erkenntnisse und Ideen der
Studenten stecken. Obwohl im Vergleich zum ursprünglichen Projektziel
einige Abstriche gemacht werden mussten, schafften es die Teilnehmer,
das VDR-System zu verstehen und Ansätze für dessen Verbesserung
zu realisieren. Dabei wurde auch die Erkenntnis gewonnen, dass PC-basierte
digitale Videorekorder unter Linux bei weitem nicht so benutzerfreundlich
und einfach zu handhaben sind, wie in der Fachpresse oft dargestellt.
In
einer abschließenden Präsentation am Ende des Semesters
wurde der fertige Prototyp, sowie die weiteren Ergebnisse des Projektstudiums
vor Vertretern aus Industrie und Hochschule gezeigt und erläutert.
Unter den Gästen waren der FH-Vizepräsidenten Herrn Kammerer,
der seit längerem interdisziplinäre Projektstudienangebote
unterstützt, und die Professoren Frau Anlauff, Herr Gruber
und Herr Ruckert aus dem Fachbereich Informatik, die ebenfalls mit
einer eigenen Vorlesung über Chipkarten die Projektarbeit fördern.
Dass
die Arbeit eines inhomogenen Teams an einem gemeinsamen Projekt
nicht nur das Studium an der Fachhochschule ergänzt, sondern
sogar besondere Lerneffekte vermittelt, die im übrigen Unterricht
fehlen, wurde durch eine Evaluation der Lehrveranstaltung durch
Dr. Cornelia Schödlbauer in diesem Semester erneut belegt.
Teamfähigkeit, Diskussionsfähigkeit und Kompromissbereitschaft,
Eigenverantwortung, Zeitmanagement und der kreative Umgang mit unvorhergesehenen
dynamischen Situationen sind einige der Erfahrungen, die das Projektstudium
vermittelt und die in Wirtschaft und Industrie sehr gefragt sind.
Einige
Stimmen der Teilnehmer:
"Eine
sehr gute Möglichkeit im Studium zusätzliche Kompetenzen,
durch die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, zu erwerben."
Matthias Specht, FB Informatik
"[..]
Ich habe viel über den Ablauf von Projekten, deren Organisation
aber auch auftretende Risiken und Probleme gelernt. Es war eine
lehrreiche Abwechslung zum sonst straffen Studiumsrahmen und ich
empfehle diese Veranstaltung jedem der in Sachen Projekt-Abläufe
Erfahrungen sammeln will und genügend Zeit für dieses
Fach aufwenden kann."
Marcel Wendland, FB Informatik
"Ich
fand die Projektwerkstatt gut zur Vorbereitung auf das künftige
Berufsleben. Abwechslungsreich, interessant und lehrreich."
Christina Engel, FB Tourismusmanagement
Links:
Abschlussbericht
der Studenten (pdf, 1.060 Kbyte)
Evaluierung
des Projektstudiums/Projektwerkstatt von C. Schoedlbauer
(pdf,350 Kbyte)
Campus
München: FH Studenten entwickeln digitalen Videorecorder.
Sueddeutsche Zeitung vom 21.01.2004 (pdf, 460 Kbyte)
www.tara-systems.de
(Homepage der Firma TARA Systems)
www.tv-server.de
(Homepage der Firma FAST TV-Server AG)
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